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Widersprüchen in der Einheit
2006: Günter Schöttner, 8. Januar, Rede zur Ausstellung

Abb. oben: Skizze, Dialektisches Bild 25 vorn-hinten; unten Vorarbeiten und Bilder

"Das Sein und das Nichtsein, diese beiden äußersten Gegensätze sind zusammen in dem Begriff des Werdens." Heraklit

Auf quadratischen Gründen finden sich in spannungsvoller Ordnung Flächen und Linien verschiedenster Ausformung. Mal überlagern diagonal geformte Liniaturen ein Quadrat oder Schwünge gleiten wellenförmig über eine Gerade. Kubische oder kreisrunde Formen lagern aufgefächert auf der Grundfläche darüber pfeilartig eine diagonale Linie. Auf- und abfallende Formensegmente reiben sich oder gleiten aneinander vorbei. Dreieckige Flächen streben zueinander, gehen wieder auf Distanz oder werden von linienartigen Balken gehalten bzw. in eine Verbindung gebracht. Aufsteigende Linien brechen durch Flächen, bilden Überlagerungen, bringen die Bildfläche in Bewegung.

Man kommt zu dem Eindruck die verschiedenen Bildelemente, die sich in ihrer eleganten Farbigkeit mit Noblesse auf der quadratischen Fläche bewegen, alles aufdringliche und reißerische vermeidend, führen einen Tanz auf; aufstrebend, rhythmisch, mal mitreißend wirbelnd dann wieder schwebend, in Reihungen sich suchend, findend und wieder auseinanderstrebend, wechselvoll in Verdichtungen und Entflechtung, dynamisch und doch in sich ruhend. Es ist kein Veitstanz, nicht eruptiver Formenkampf oder gestischer Farbrausch; sondern eine spannungsvolle, eine zurückhaltende Intensität gibt sich hier Raum.

Die Palette der Farbgebungen bewegt sich mit einigen vorsichtigen Abmischungen im Bereich des komplimentären, dazu Weiß, Schwarz, Grautöne. Der Künstler bearbeitete 36 visuelle Begriffspaare und stellt sie uns mit einer jeweils schrägen Linie und einem inneren Quadrat auf 59 Bildern und 9 Plastiken vor. So finden wir uns in einem Refugium in dem analytische Methode, d.h. der Wunsch hinter die Dinge zu kommen, der Wunsch nach Erkenntnis das Thema ist.

Es ist die Erfahrung des Lebens, dass unser Bedürfnis nach Harmonie sich reiben muss an der Widersprüchlichkeit unserer Wirklichkeit. So entdeckte Jochen Stankowski für sich die Dialektik mit ihren Widersprüchen in der Einheit und suchte nach Ausdrucksformen für dieses Phänomen, suchte die Durchdringung der Gegensätze sichtbar zu machen.

Da kein Bild und auch keine Plastik ohne die dialektische Spannung leben kann, verbindet sich in der Gegensätzlichkeit wie z.B. bei Natur und Abbild oder Raum und Fläche, Erlebnis und Abstraktion oder aber Inhalt und Form die künstlerische Einheit. Hier setzte der Künstler mit seiner Arbeit ein und schuf eine Reihe von Werken in einer konkret/konstruktiven Bildsprache, die er als Versuch zu einer Dialektik des Sehens verstanden wissen will.  Aus dem Wahrnehmen, Sehen und Empfinden heraus leben diese Kunstwerke und bilden mit ihren stillen Ordnungen, ihren bedachten Bewegungen und ihrer konkreten Formensprache eine wirkliche Einheit der visuellen Gegensätze.

Als Grafikdesigner und Maler, als Fotograf und Drucker mit einem reichen Wissen auf Klarheit in Ausdruck und Form bedacht sowie in der konkreten Malerei und Grafik zu Hause, vertraut aber auch mit der konkreten Dichtung und Poesie näherte sich Jochen Stankowski dem Thema des dialektischen Sehens zunächst über die Sprache an. Über Wortverbindungen wie: groß-klein, dick-dünn, lang-kurz, schmal-breit usw. versuchte er Zeichen zu finden die neben der visuellen Bedeutung auch eine emotionale hervorbringen.

D.h. ein visuelles Bild von oben-unten hat auch die Erfahrung von herrschen-beherrscht sein in sich, oder das visuelle Bild von groß-klein gibt das Gefühl von wichtig bzw. unwichtig wieder. Aus diesen visuellen und emotionalen Begriffselementen hat der Künstler einen Werkkanon geschaffen der das Phänomen Dialektik im direkten Sinne sichtbar macht.

Dabei bleiben die hier versammelten Werke durchaus das was man ein "offenes Kunstwerk" nennt, d.h. sie kleben keineswegs an Begriffen oder Rastern und geben Raum für die individuellen Sichtweisen des Betrachters. So wie der Künstler einerseits von einem Begriffspaar ausging ist ein andermal zuerst eine Bildidee da aus der allmählich das Begriffspaar herausgearbeitet wird. Wir haben es mit einem überaus phantasievollen, lrritationen einschließenden Wechselspiel von erfinden, entdecken, ableiten und zuordnen zu tun.

Jochen Stankowski, legte seinen Weg vom Sauerland bis hierher zurück u.a. über eine Schriftsetzerlehre, einer Ausbildung zum Grafikdesigner und Fotografen, war Design-Specialstudent in London, später Mitinhaber des Grafischen Ateliers Stankowski in Stuttgart und noch später des "Druck Betrieb" in Köln, Mitherausgeber des "Kölner Volksblatt", unterstützte mit seinen visuellen Gestaltungen zahlreiche politische Aktionen und Medien der Bürgerinitiativen und der Ökolgiebewegung wurde schließlich 1998 erster Stadtmaler in Dresden und ist seitdem als Grafikdesigner und Maler in dieser Stadt tätig. Sein aktuelles Projekt ist diese Galerie Konkret in der wir uns jetzt befinden.

In einem Katalogtext heißt es über ihn: "Bezeichnend für den Weg von Jochen Stankowski ist die ständige Auseinandersetzung, der ständige Zweifel, die fortdauernde Selbstprüfung als Arbeitsmethode." Hier ließe sich vielleicht die Bemerkung anschließen, dass Mut zu Neuem, eine sensible Neugier und eine gewisse Portion Wagemut gewiss auch zu den Eigenschaften gehören die hier für ihn genannt werden sollten.

Jochen Stankowski sieht sich in der Tradition der großen revolutionären Kunstbewegungen des letzten Jahrhunderts, hier seien vor allem genannt Malewitsch's Suprematismus und die russischen Konstruktivisten und natürlich das Bauhaus in dem freies und angewandtes Gestalten nicht als Gegensatz sondern als produktive Einheit begriffen wurde. Nicht vergessen sollte man an dieser Stelle Anton Stankowski, den Onkel. Er gab dem Künstler das nötige Rüstzeug mit, war sein Lehrer und später sein Partner.

Zu Jochen Stankowski gehört aber genauso wie seine künstlerische Arbeit, das wache Bewußtsein für unsere Wirklichkeit, d.h. ein kritischer Blick auf die Zustände unserer Zeit, der Gesellschaft, unserer Welt und der Versuch durch Einmischung und Engagement die Verhältnisse und Zustände nicht einfach hinzunehmen wie sie sind.

So fließen m.E. in dieser Haltung sein Künstlertum und das Leben zu einem höchst kreativen Ganzen zusammen. Kunst als Tätigkeit der Gestaltung ist somit Teil des Lebens geworden, das Leben wiederum wird dadurch ein in hohem Maße eigenbestimmtes, kreatives und engagiertes Selbst.  Somit findet die Fragestellung nach einer Verschmelzung von Kunst und Leben, einer Frage die sich durch die avantgardistischen Kunstbewegungen des letzten Jahrhunderts zieht in der Biografie des Künstlers durchaus eine Antwort und ein Teil dieser Antwort sind sicher die hier vor uns ausgebreiteten Werke zu einem "Versuch zur Dialektik des Sehens". Günther Schöttner, Maler und Kurator

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