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Plump, aber enervierend
Londons Tate Modern entdeckt Martin Kippenberger
2006: Ulf Eermann Ziegler, TAZ, 22.2.2006

Akademische Übung an einem antiakademischen Werk: Londons Tate Modern entdeckt Martin Kippenberger als Heavy Guy. Gezeigt wird nicht das ganze, aber auch nicht der halbe Kippy. ...

... Um den ungeheuren Ausstoß Kippenbergers zu belegen, ist anfangs eine dreizehn Meter lange Vitrine aufgebaut, in der Kataloge, Bücher und Einladungen arrangiert sind, plus das einsame Multiple eines Telefonhörers aus Holz. Um seine Leidenschaft für das Abgekupferte und Zweitklassige zu unterstreichen, hat der Künstler für seine Bücher Erscheinungsbilder abgewandelt: Reclam-Heftchen, Baedekers und die rororo-Reihe der Künstlermonografien dienen als Vorlage. Eins der wenigen Originale ist das Buch "Frauen" im Merve-Verlag mit der ansteigenden Raute als Titelgrafik, ein Entwurf von Jochen Stankowski. Ein paar Jahre später, für die "Psychobuildings" im Verlag Walther Königs, wurde der Entwurf bereits persifliert: die Raute steht als abfallende Form auf dem Titel und rückseitig als aufsteigende, ein Verkehrung des Merve-Designs. Wie immer bei Kippenberger: plump, aber enervierend. Die abfallende orangefarbene Raute der "Psychobuildings" findet sich auch auf dem Plakat der Ausstellung wieder. Ob die Engländer auch nur ahnen, womit sie es zu tun haben? Jedenfalls haben sie sich nicht die Mühe gemacht, den Publikationswust dieser Vitrine zu katalogisieren, sodass es selbst einem deutschsprachigen Besucher rätselhaft bleibt, was das winzige Heftchen einer "Lord Jim Loge" oder ein "Einstellungsgespräch" von Jörg Schlick (im Design einer Suhrkamp-Broschur) mit Martin Kippenberger zu tun hat.

Abb. Die halbe Merve-Raute als Tate-Plakat für die Kippenberger-Ausstellung in London 2006.