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2022 / 1 - 'Amos', Martin Stankowski

Zeichensteller Jochen Stankowski - Sein Name stand lange nicht im Impressum, aber er war immer sichtbar auf dem Titel, der Schriftzug, quasi das Markenzeichen AMOS, seit 1968. Entworfen hat ihn Jochen Stankowski und das war kein Zufall, denn im selben Jahr hat er mit einer Gruppe Linkskatholiken den Essener Katholikentag aufgemischt mit einer neuen Zeitung "kritischer Katholizismus" und die entstand in Bochum in den Räumen der ESG, in der Hartmut Dreier kurz darauf als Studentenpfarrer einzog und da lag es nah, den Grafiker auch um einen Titelentwurf für den neuen AMOS zu bitten. Wie gesagt, er hält bis heute und das ist nicht der einzige Entwurf für die kritischen Christen. Kirchentagszeitungen oder Synodenflugblätter, Protestplakate in Stuttgart, Köln oder Dresden - die Hauptorte seiner Arbeit, aber auch zahllose Medien für Bürgerinitiativen,  Umwelt- und Frauengruppen, für neue Kinderläden und alte Gewerkschafter.

Das meiste davon, mit einem Text über sein "Protest-Desing" findet man in dem umfangreichen Band "Zeichen. Angewandte Ästhetik", Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2008.

Gelernt hat Jochen Stankowski als Schriftsetzer im Sauerland, mehr noch in Stuttgart, in einer Grafikschule in London, dann als Lehrling später als Kompagnon im Atelier seines Onkels Anton Stankowski. Dieser gilt als einer der Pioniere der Markenästhetik des 20. Jahrhunderts, zahlreiche Firmensymbole aus seiner Hand prägen bis heute das öffentliche Bild - am bekanntesten das Zeichen der Deutschen Bank. Aber genau das war die Scheidelinie für Jochen, denn diese Kunden sind Teil einer Marktwirtschaft, die er auf der anderen Seite mit eben seinen künstlerischen und grafischen Mitteln bekämpfte.

Er stieg aus und gründete 1972 - ich war dabei - in Köln eine kollektive Druckerei, in der jetzt die Trennung von politischer und beruflicher Praxis aufgehoben war. Wir gründeten, verlegten, schrieben, gestalteten und druckten das "Kölner VolksBlatt", Muster für weitere Volksblätter der Bürgerinitiativen in anderen Städten,  von denen wir ua das "RuhrVolksblatt" um Roland Günther druckten. Im "DruckBetrieb" entstanden die Medien der sozialen Opposition, Flugblätter und Plakate, Schüler- und Betriebszeitungen, Broschüren, Flyer, Kleber, Bücher und alles, was im Offsetdruck hergestellt werden konnte und übrigens auch einige Zeit der AMOS.

Vieles davon findet man in "AnSchläge. Plakate aus 5 Jahrzehnten" von Jochen und Martin Stankowski, Verlag der Buchhandlung Franz und Walther König, Köln 2021


1998 zog er nach Dresden, zu seinem Freund Peter Grohmann, auch einer der alten protestierenden Protestanten und heute der Anführer der Stuttgarter Bürgerbewegung "Die AnStifter". In Dresden beschäftigte er sich intensiver mit künstlerischer Arbeit. Ihn beschäftigen die konkreten Formen immer mit dem Anspruch "Ich wollte schon immer sehen, was ich denke".

Das ist Motto seines Hauptwerkes "Visuelle Memoiren" im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2019.

Intensiv setzt er sich hier mit 42 Themen auseinander, die in ihrer Kombination seine visuellen Memoiren darstellen. Das sind Abstraktionen, wie die Landschaft oder der Pfeil, das sind Übertragungen von Gefühlen wie Träume oder Geister, von visuellen Ansichten in Empfindungen. Immer geht es um die Antwort auf die Frage: Was ist darstellbar? Bilde ich die Themen ab oder entstehen Empfindungen dann, wenn wir eine konkrete Darstellung sehen? Welche abstrakten, nämlich gegenstandslosen Themen lassen sich ausdrücken, beschreiben, im oder als Bild darstellen?

Nebenbei und das auch schon seit 50 Jahren ist er ja auch der Erfinder und Gestalter der Merve-Raute, des unverwechselbaren Layouts der Bücher des Merve-Verlages. Ein Wort von Vilém Flusser aufgreifend, versteht sich Jochen Stankowski als Zeichensteller, einer der Zeichen herstellt und damit an den Schriftsteller oder an den Schausteller erinnert, aber auch den Fallensteller assoziiert. Seine Bilder sind Angebote an die Sinne, sind Reduktion auf die Grundprinzipien des Gestaltens. Zugleich eröffnen sie alle Möglichkeiten der eigenen Empfindung, ja der Emotion – denn immer geht es um Konkretion. Und das ebenso formal wie sozial, ebenso ästhetisch wie politisch.

Martin Stankowski, Köln (der Bruder)
 

Plakatwettbewerb VI. Int. Bienale des sozialpolitischen Plakats, Ausschwitz 2016