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Mein Name ist Mensch - Die 30 UN-Menschenrechte.
2023: 30 Plakate von Jochen Stankowski
Köln: Hochschule Macromedia - Prof. Christof Breidenich

Transkript der Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Universitätsbibliothek Köln am 10. August 2023:

"Es geht in dieser Ausstellung darum, dass hier Visualitäten zu den einzelnen Artikeln der Menschenrechte zur Verfügung gestellt werden, die als ein Erkenntnisangebot an die Betrachter:innen gelesen werden können. Das Thema ist ja nicht nur interessant, sondern auch wichtig. Es ist in diesen Darstellungen und Formen von Jochen Stankowski zu erkennen, dass sie nicht nur zur Betrachtung sondern auch zum Nachdenken animieren sollen.

Wenn wir uns diese Plakate einmal anschauen, sind sie in ihrer Komposition alle sehr ähnlich. Es handelt sich immer um ein Motiv, dass in der Mitte des Plakatsraumes steht. Dazu eine zurückgenommene Typografie, in grauer Farbe, in einer Condensed-Schrift, bei der die Schriftbreite im Verhältnis zur Schrifthöhe, reduziert ist. Das macht man bei Plakaten sehr gerne. Die Komposition besteht immer aus einer Headline oben, einem Motiv und einem Text in Grau eines Artikels über die Menschenrechte am unteren Bildrand. Wenn wir uns das Wort Menschenrechte henauer anschauen, dann sehen wir, dass darin zwei Versalien enthalten sind. Als Versalien werden Großbuchstaben bezeichnet. Der Wortteil Rechte ist hier – weil mit Großbuchstaben im Wort – falsch geschrieben, aber bekommt hier so eine besondere Aufmerksamkeit.

Wenn Sie sich die Motive anschauen, dann kann man sagen, dass einige Plakate durchaus recht bunt sind, einige Plakate aber auch zurückhaltend. Sie setzen sich zusammen aus grafischen Grundformen, man sieht auch ganz selten Zeichen. Das Plakat mit den Pfeilen ist eines der wenigen, welches über die Grundformen hinausgeht, wenn man denn Punkt, Linie, Balken und Fläche auch zu den Grundformen zählt.

Die Grundformen kennen wir alle, auch weil im Kreise des Bauhauses in einer programmatischen Schrift Punkt und Linie zu Fläche Kandinsky wichtiges dazu geschrieben hat. Vielleicht nehmen Sie mal die kleine Aufgabe an: Wann wird eine Linie zu einem Balken? Wann wird ein Balken zu einer Fläche? Wann wird ein Punkt zu einem Kreis? Das liegt alles in Ihrer Empfindung, das liegt alles in Ihrer Wahrnehmung und das liegt alles in dem Konzept des Konstruktivismus.

In der Kunst und Designgeschichte nennen wir das Konstruktivismus, der vor genau 110 Jahren zum ersten Mal 1913 von Tatlin ausgerufen wurde und eine der bahnbrechenden Erfindungen der Design- und Kunstgeschichte wurde. Es ist die Aussage, dass es Bilder gibt, die keine Abbilder sind, also Bilder, die keine Referenz zu tatsächlichen Gegenständen haben oder zu etwas, was wir aus der Realität, der Wirklichkeit oder der Natur kennen würden. Das war eine wahnsinnige Erkenntnis.

Für uns heute ist das natürlich ein alter Hut, aber damals war es eine Grunderfindung der Moderne, nämlich, dass man sich in die Lage versetzte, rein grafische Motive, zunächst in der Kunst aber auch dann im Design darzustellen, die uns etwas sagen. Diese Motive hier in dieser Ausstellung, die reden zu uns, ohne dass sie etwas abbilden. Das ist sehr faszinierend, weil die Motive hier gekoppelt sind mit dem jeweiligen Text zu den Menschenrechten.

Der Interpretationsspielraum sollte aber auch nicht zu groß sein, denn man will mit den Mitteln des Grafikdesigns oder besser des Kommunikationsdesigns eine konkrete Botschaft senden. Im Gegensatz zur Kunst, wo man das nicht will, denn die Kunst ist nicht konkret in diesem Sinne, sie vermeidet konkrete Botschaften.

Mit den Motiven dieser Plakate aber spricht etwas zu uns, ohne dass es etwas im Sinne eines Abbildes zeigt. Und das ist spannend, weil wir das mit dem jeweilig zitierten Menschenrecht vergleichen kann um uns zu fragen, was will uns das sagen, was bringt es uns und was zeigt es, was redet es da?

Diese Erfindung der zweiwertigen Bilder, ist eine spannende Bildtechnik, auf der einen Seite die des Abbildes als eine Referenz zur Realität, und auf der anderen Seite der Abstraktion oder auch der Konstruktivismus als Bildsprache, die ebenso anregen soll, mich mit den Bildern zu beschäftigen. Ich denke, wenn man sich die Zeit ansieht als der Konstruktivismus in die Welt kam, dann gibt es Parallelen zu heute. Es war die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, eine große Krisensituation in der man nicht mehr die historischen Bilder haben wollte und keine Verweise mehr darauf, was vorher war. Man wollte sich befreien von der Aristokratie und dem 19. Jahrhundert, und begann bildnerische Motive zu abstrahieren. Wenn wir das auf heute übertragen und überlegen, was wir heute für eine Zeit haben, in der wir leben, in der wir die Menschenrechte feiern und um sie bangen, dann werden diese Bilder, diese Motive hier, sehr spannend. Wenn man sie in dem zeitlichen Kontext sieht, dass es diese Art von Motiven bereits schon über 110 Jahre gibt und wir heute in einer Welt leben, in der wir durch Bilder total überflutet werden, müssen wir uns ein Werkzeug, ein kognitives Material aneignen, um damit klar zu kommen und uns zu orientieren.

Ich komme mit den Bildern von Jochen Stankowski jedenfalls sehr gut klar.“

Prof. Christof Breidenich leitet den Studiengang Design der Hochschule Macromedia und lehrt Mediendesign und Designtheorie am Campus in Köln

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