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DruckBetrieb - eine Druckerei ohne Chef
'Herstellung von Unterrichts- und Agitions-Material'
Hrg. vom Kollektiv, 1987

1971 Aus einem Konzeptpapier: „Wir wollen einen Zusammenhang von beruflicher und politischer Arbeit herstellen, entsprechend unserer Ausbildung und Qualifikation. Daneben kommt es uns darauf an, mit Hilfe der Firma Unterstützungsfunktionen wahrzunehmen für Projekte und Organisationen, mit deren Ziel und Methoden wir uns politisch definieren. ... Dabei geht es nicht um Reform der politischen Institutionen, sondern um die Politisierung und Aktivierung der Betroffenen und beteiligten Personen und Menschen.“ (1971)

1972:  Start des "DruckBetrieb" durch Ivo Rode, Martin und Jochen Stankowski, nämlich Haus- und Maschinenkauf in Köln-Niehl, Umbau und Produktionsbeginn.

"Basis des ganzen Unternehmens ist und bleibt die Zelle Technik/Druck, als Bedingung unabhängiger Arbeit für uns, aber auch als billige und schnelle Druckmöglichkeit für sozialistische, selbstorganisatorische Gruppen. Von daher bestimmen sich die Kriterien für Fremdaufträge: wir drucken, was wir inhaltlich (Ansatz, Vermittlung, Ziel, Sprache, Stellenwert) für vertretbar und wichtig halten, vorwiegend für Selbstorganisations-Gruppen".

1973: Wir initiierten und gründeten das "Kölner VolksBlatt". In diesem Jahr wurden noch drei Versuchsausgaben, in Zusammenarbeit mit Kölner Bürgerinitiaiven herausgebracht. Nach dieser 'Bewährung' kam die Zeitung ab Januar 1975 monatlich heraus. Wir, die Druckerei stellten im Wechsel einen von uns dafür als halbtägigen Redaktions-Sekretär frei.
Personelle Erweiterung und Technik wurde möglich sein. Im Mai 1975 schlossen wir mit Willi Müller einen Lehrvertrag als Druckvorlagen-Hersteller. Martin schied 1983, Jochen 1999 aus. Die Menschen wechseln, der Ort bleibt und auch der Charakter des Betrieb bleibt handwerklich, technisch ebenso wie politisch - bis zum 30.9.2011.

Neben Fremdaufträgen produzierten wir eigene Publikationen wie die "Volkspreishefte"  Eines - mit dem Titel "Was hat der Arbeiter von der sozialen Marktwirtschaft?" - wurde in diversen Ausgaben mit mehr als 10.000 Exemplaren vertrieben. Wir unterstützten die Gründung "Helft dem SSK" und professisonalisierten die Medien der SSK-Aktionen in Grafik, Layout, Druck und Vertrieb. Der Betrieb wurde zur Spezialdruckerei der selbstverwalteten Kölner Szene, der neuen sozialen Bewegungen in Köln, zahlreicher Betriebs-, Schüler- und Stadtteilzeitungen, von unzähligen Flugblättern und Plakaten in allen Farben und Formaten, Broschüren, Büchern, legalen und illegalen Schriften und wurde Spezialist für alle Schritte vom Konzept, Text und Bild, Layout, Farbe, Format, natürlich die Herstellung und auch Beratung bei Vertreib und Verbreitung.

 "Kunden"-Stimmen:

Zum 15jährigen Bestehen veröffentlichen wir 1987 eine Festschrift mit unterschiedlichen Stimmen unserer "Kunden":

„Ein Lied in 'B', oh jemine!
Die Tonart ist bei Geigern nicht beliebt.
Doch wenn ich an Dich denk,
dann spiel ich alles nur in B,
Du mein Betrieb!
Ein Flugblatt, telefonisch durchgegeben
und geliefert in zwei Stund‘.
Die Kostenfrage sekundär, Hauptsach: es geht rund! ...
Du mein Betrieb, oh mein Betrieb,
ich hab Dich lieb!“
Klaus der Geiger, kölner Straßenmusiker

„Ich wünsche, dass Ihr weiter Euren Trieb erhaltet und ständig neuen Auf-trieb bekommt, dass Ihr Be- und An-treiber bleibt, dabei viel Be- und Umtrieb betreibt und euch nicht austreiben lasst.“ Gunter Hohn, amnesty international

„Wie war in Köln es doch vordem für Arnarchos unbequem. Gut 15 Jahr‘ liegt es zurück, ‚Befreiung‘ hieß das gute Stück. Die wollt‘ uns damals keiner drucken, für eig‘ne Maschinen fehlten Mucken. Trotz Razzias und Hysterie wart ihr damals die einzgen, die es schwarz auf weiß zu drucken wagten, was böse Anarchisten sagten. “ Anarchosyndikat Köln

„Selber Drucker, Setzer und Betreiber, schwimmt stromaufwärts Köln entgegen heut‘ als Schreiber: Fünfzehn Jahre Druck von unten, schwarzes Feuer an den Lunten; fünfzehn Jahre graue Haare inclusive Mehrwertsteuer, kleingewerbes Abenteuer. Schach den Bösewichtern! Notfalls Sonderschichten für die Netzbeschmutzer, Eigenutzer, Revoluzzer. Bürgerdruck und Spontipresse, Druck von unten für die Grünen, Roten, Bunten. Nix für Stutzer! Fünfzehn Jahre Taubenschlag und Kindergarten, Ochsenschwanz und Hammelbraten, Rote Beete hinterm Haus. Reprokichern, visuelle Zeichen gegen Zeitgeist-Leichen, Druckerwut auf 100.000 Seiten. Noch mehr Druck für andre Zeiten.“ Peter Grohmann, AnStifter

„Wenn ich mit einem Text komme, gibt es meistens Mittagessen. Mittagessen, das heißt Kaffee, Wein, Calvados, Zigarilos, Zeitung, Gespräche, kleiner Gang in den Garten. Danach: Große und kleine Formate in der Druckerei. Ich werfe auf alles einen Blick, manches nehme ich in die Hand: Plakate, Flugzettel, Broschüren, Bücher, das neue VolksBlatt. Eine gute Fundgrube sind die Glasplatten, unter denen sich die Ideen zu Werken zusammenfügen. Lineale, Schere, Kleber, kleine Pinsel, Text- und Bildschnipsel.
Dann die Leute, die reinkommen. Mit manchen rede ich, die meisten gucke ich mir nur so an. Tu als ob ich lese. Türkenkinder sehe ich da, Frisörmeister, Bullen, rausgeflogene Ratsmitglieder, Ökos und Exgenossen. (Mein Gott, mit wem man im Laufe der Jahre doch alles zu tun gehabt hat!) Alles unverbindlich, alles leicht, wir brauchen nicht aufeinander losgehen, nicht mal miteinander reden. Sind doch alle als Kunden hier, oder?
Und zwischen Fragen und Berichten, Klatsch und Plänen, krame ich dann irgendwann meinen Zettel aus der Tasche, mit dem Text fürs Flugblatt. „Aha, das wollt Ihr also machen?“, heißt es dann. „Und wie stellt Ihr Euch das vor?“ Manchmal setzen sie mich dann an den Schreib-Composer, nicht ohne mir vorher die Zeilen eingestellt zu haben. Manchmal sagen sie einfach: „Lass mal hier, ich überleg mir was“. Immer aber ist es der Beginn für etwas Neues, etwas anderes, für etwas, das über den Text und seine Worte  hinausgeht, was ihn ergreift und fortträgt, und wenn ich dann wiederkomme, wenn mein Text wieder aufgetaucht ist aus dem Getriebe, dann ist er wunderbar transformiert, ist Teil eines Kunstwerks geworden, das meilenweit über dem steht, was man so gemeinhin unter politischer Information versteht.
Betrieb? Das ist kein Betrieb. Hier herrscht Betrieb. Und in diesem Betrieb entsteht Kunst, der mit dem Zauberstab alles zum Blühen bringt, was sie berührt, sogar die Betonwände der Politik. Kaffee und Calvados, Schnack und Hühner, Handwerk und Muse: das ist Kultur ihr Lieben. Kultur zum Lesen und anfassen.
Danke, Prost. Wie geht‘s Euch? Hast Du schon gehört? Hast Du schon geseh‘n? Zeig mal her! Laß mal da. Nimm‘s Dir mit. Tschüß dann bis morgen.“ Rainer Kippe, SSM (Sozialistische Selbsthilfe Mülheim)

„Beim heiligen Sigismund, was ist nicht alles schon geschrieben worden über den Sexual-Trieb, den Todes-Trieb, den Überlebens-Trieb! Wer aber hat schon dem wesentlichen aller Triebe genügend Aufmerksamkeit gewidmet: dem BE-TRIEB? Doch er ist es, der den menschlichen Bewegungen den so notwendigen Druck verschafft, zuverlässig, stressresistent und wenig Ressourcen verschlingend“. die rundschau - Zeitschrift für Behindertenpolitik

„Zum Überlebens-Fest dem DruckBetrieb mit Dank für jahrzehntelange, konspirative Unterstützung und Beratung herzliche Glückwünsche.  Euer Günther Wallraff
 
Bilder: Die drei 'Startup'er Martin Stankowski, Ivo Rode und Jochen Stankowski 1972 und Druckereiansichten.