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Friedrich Kracht
Grafik | Malerei | Plastik | Baubezogene Kunst
Antje Kirsch (Hg.), Jochen Stankowski (Hg.), 2022

224 Seiten, 24x30 cm, Festeinband sowie ein 32-seitiger Beileger
Lukas Verlag, 2022, Preis 39,80 €, ISBN 978-3-86732-421-2


Friedrich Kracht (1925–2007) widmete sich nach der Abkehr von den realistischen Positionen seiner Lehrer in Dortmund, Weimar und Dresden in den 1960er Jahren zunächst intensiv baubezogenen Kunstwerken. Von der Konstruktion variabler und serieller Elemente im Grenzbereich zur Formgestaltung und der Untersuchung verschiedener Materialien und Werktechniken bei der Fassadengestaltung führte ihn sein Weg schließlich zu einem bildnerischen Werk der konkreten Kunst. Über paradoxe Formfindungen wiederum entstanden räumliche Gestaltungen und seine markanten Lochplastiken.

Das Werkverzeichnis Friedrich Krachts mit mehr als 400 Abbildungen zeigt erstmals die jahrelange, konsequente Arbeit an seinen seriellen Systemen. Weitgehend unveröffentlichte Zeichnungen, die auf ausgedehnten Reisen in den 1950er Jahren entstanden, sowie zahlreiche Abbildungen baubezogener Arbeiten ergänzen die Werkschau des Künstlers, der zu den wichtigsten Vertretern der Abstraktion in Ostdeutschland gehört.


Vorwort Jochen Stankowski

Das Spiel der Bausteine

»Serielle Systeme, offene, geschlossene, produzierende, generativ sich wandelnde Elementsysteme. Bausteine von Mikro- und Makroorganismen der Materie.« Mit dieser Beschreibung seiner Arbeit im Jahre 1991 unterscheidet Friedrich Kracht seine Art der Gestaltung in harmonischen Gesetzmäßigkeiten von den weichen Formen der Natur. Durch Fotos oder Zeichnungen von Menschen und deren Umgebung sind ihm die Formen des Gegenständlichen nicht fremd. Er hat sich mit den inneren Strukturen befasst, sie kennengelernt, sie freigelegt und als eigenständige Formen bearbeitet. Damit hat er eine neuen Freiheit gewonnen, weil er diese neu definierten Formen einsetzt quasi als das ‚Bewusstsein‘ der Determinismen. Er findet, gefangen in den Bedingungen der Umwelt, eine neue Art der Kunstfreiheit: die Freiheit nämlich, zu kombinieren und zusammenzusetzen, sowie die genaue Freiheit des Aufbaues. Und da stellt sich gerade bei der Betrachtung der Arbeiten Krachts die Frage, ob nicht vielleicht die konkreten Maler die eigentlichen Naturalisten sind.

Viele Konstruktivisten berufen sich auf den ‚reinen Ausdruck‘ und erklären für den ‚geistigen Gebrauch‘ zu arbeiten. Sie beherrschen die Geometrie und sind vor allem damit beschäftigt, ihre Formen zu ästhetisieren. Aber gibt es eine Form ohne Wirkung?

In jeder Formen liegt eine Kraft: rein optisch in den Wachstumssystemen oder in den Bewegungsgesetzen der Natur und abstrakt in den nicht sichtbaren Funktionen physikalischer oder chemischer Verläufe. Erkennbar aber auch in wirksamen Kräften sozialer Verhältnisse wie in psychologischen und philosophischen Gedankengängen. Wir »machen uns Bilder von der Wirklichkeit« (Wittgenstein) und drücken sie in Gedanken und Ideen, in Sprache und Liedern, in Tänzen und auch in visuellen Noten aus, eben in Bildern. Umgekehrt evozieren Gedanken oder Ideen wiederum Bilder oder Imaginationen.

Friedrich Kracht arbeitet und spielt beim »Sichtbarmachen des Unmöglichen« mit den visuellen Grundformen. Genau auf diesen Zusammenhang hat der Philosoph Hans Heinz Holz hingewiesen: »Das Zusammenfallen von Sinn und Bedeutung, von Sein und Bewandtnis geschieht nur in der von ungleichen Assoziationen entlasteten reinen Form.«

Die Künstler, die die konkrete Formsprache verwendeten, standen zur Mathematik und Physik in einem vergleichsweise trauten Verhältnis. Der künstlerische Aktionsradius ließ sich damit erheblich erweitern. Vor diesem Hintergrund konnte die raffinierte Lichtkunst oder auch die virtuose Kinetik entstehen. Und selbst die Pop-Art ist in der Wahrnehmung von Alltag wie auch in ihren seriellen Formen von ihnen beeinflusst.

In der Übernahme der Strukturen unserer technischen Umwelt ist die determinierte Kunst zugleich die determinierte Welt, und determinierte Welt ist unsere Welt. Das gilt selbst für so etwas banales wie das Kopierverfahren oder die Idee der Programmierung. Oder, wie Friedrich Kracht schreibt »einfach das Spiel der Bausteine, das Erkennen der Kombinationsfähigkeit, die Lust zu variieren, der Reiz, es nachzuvollziehen, neue Bausteine zu erfinden«.