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Bundesverfassungsgericht
Grundsatz-Urteil zur Pressefreiheit
Karlruhe, 14. Februar 1979

Der unten stehende Artikel erschien im November 1977 in der Monatszeitung ‚Kölner VolksBlatt: Bürgerinitiativen informieren‘. Es drehte sich um Wohnraumzerstörung der Gothaer Versicherung mit Unterstützung des CDU-Stadtdirektors. Plakate veröffentlichten dieses. Der presserechtlich Verantwortliche des Plakates wurde angezeigt. Ich wohnte der Gerichtsverhandlung bei und schrieb für die Zeitung, deren Mitherausgeber ich war, den Artikel. Richter Welsch war so erbost darüber, das er in der folgenden Gerichtsverhandlung den Pressevertreter des Kölner VolksBlatt raus warf.

Folgende Beschwerden des Kölner VolksBlatt darüber wurden von der kölner Kollegen-Richterschaft abgewiesen, sodaß wir bis zum Bundesverfassungsgericht klagten. Wir bekamen Recht (Akte 2 BvR 154/78): „... Zwar mag der Amtsrichter über den beanstandeten Artikel des ‚Kölner Volksblattes‘ verständlicherweise verärgert gewesen sein, der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung erschien hierdurch jedoch nicht gefährdet ... Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates. ... Die Freiheit der Presse stellt damit im heutigen demokratischen Staat letztlich eine wesentliche Voraussetzung für eine freie politische Willensbildung des Volkes dar. ... wäre es dem Richter gestattet die Entfernung eines Pressevertreters aus dem Sitzungszimmer mit dem Hinweis auf die frühere oder künftige Berichterstattung des von ihm repräsentierten Presseorgans zu begründen, so ... könnte er mittels der ihm eingeräumten sitzungspolizeilichen Befugnisse Pressevertreter für die Art ihrer Berufsausübung nach Belieben 'belohnen' und 'bestrafen' künftige Berichterstattung steuern und damit letzlich Einfluß auf Erscheinen und Inhalt von Presseveröffentlichungen gewinnen. Das wäre mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.“ Karlsruhe, den 14. Februar 1979



Kölner Volksblatt,  Ausgabe November 1977

»Im Namen des Staatsanwalts
Ein Tag im Leben des Richter W.


Köln, Appellhofplatz, Amtsgericht, Raum 4, 15 Uhr, hinter dem Tisch, in der Wand versteckt, geht die Tür auf. Herr Dr. Welsch kommt als Richter verkleidet herein. Seine Sekretärin (oder Gerichtsprotokollantin) nimmt neben ihm platz.

Der Richter zum Angeklagten: „Sind Sie aus Köln?“ „Ja, aus der Nähe“. „Dann wissen Sie sich ja zu benehmen.“ Die Zuschauer schauen sich an, manche sind nicht aus Köln. Hat Köln eine Lokalgerichtsbarkeit?

Die Beweisaufnahme vom Vortag wird fortgesetzt. Die Verteidigung stellt einen Antrag. Der Staatsanwalt begründet die Ablehnung. Der Richter hört gut zu. „Danke, Herr Staatsanwalt“ und wiederholt die Worte vom Staatsanwalt. Antrag abgelehnt.

Die Verteidigung beantragt einen Sachverständigen als Sprachwissenschaftler, weil sie meint, daß der Text, der zur Verhandlung steht, so und so verstanden werden kann. Richter Welsch: „Meinen Sie nicht, daß der Richter zu entscheiden hat, wie das verstanden wird?“. Der Verteidiger: „Wenn sich das Gericht schon festgelegt hat ...“ wird unterbrochen. „Der Antrag wird abgelehnt. Das ist eine Rechtsfrage, eine Entscheidung des Gerichts." Richter Welch spricht vom ‚Gericht‘, sitzt aber ganz allein da als Richter. Aber mit der Sekretärin und dem Gebäude ist der Richter sicherlich das Gericht.

Staatsdiener schlecht gemacht

Es ist arm und stickig geworden. Der anwesende Wachtmeister öffnet einen Flügel des letzten Fensters, das direkt neben den Zuhörern ist. Ein Zuschauer fragt, ob man das Mittelfenst öffnen könne, da sitzt keiner, denn draußen ist eine laute Straße. „Dann verstehe ich nichts“ entscheidet die Sekretärin, die direkt neben dem Richert sitzt. Ein etwas älterer Zuhörer bittet den Richter doch etwas lauter zu sprechen. Richter Welsch zum Wachtmeister: "Machen Sie beide Flügel vom letzten Fenster auf“. Es wird weiter gemacht. Im Namen des Volkes, das nun fast gar nichts mehr versteht.

Inzwischen ist es nach vier Uhr. Richter Welsch entscheidet, daß vom Wachtmeister einen Zeugen antelefoniert, damit dieser sofort kommt. Der Zeuge, ein städtischer Beamter, ist nicht unter der Dienstnummer zu erreichen. Der Angeklagte meint: „Die fangen früh an, da ist jetzt keiner mehr da“. „Wollen Sie damit einen Staatsdiener schlecht machen“ schnauzt der Richter. Manche Staatsdiener machen sich selbst schlecht.

Der Staatsanwalt formuliert mal wieder für den Richter einen Ablehnungsantrag. Den finden die Zuschauer etwas lustig und lachen kurz auf. „Wenn Sie lachen, gehen Sie. Wir brauchen hier keine Zustimmung oder Ablehnung. Sie sind Zuhörer. Sonst gar nichts. Ich kann Sie auch für 3 Tage in Haft nehmen lassen. Bitte weiter Herr Staatsanwalt."

Jetzt ist alles gesagt. Der Staatsanwalt meint, daß der Angeklagte verurteilt werden muß. Der Verteidiger meint, daß der Angeklagte nicht verurteilt werden darf. Während der Verteidiger noch redet, ist eine rege Bürotätigkeit auf dem Richtertisch eingetreten. Man will nach Hause. Der Richter schreibt und blättert in den Akten, flüstert mit der Sekretärin. Diese hat inzwischen entdeckt, das in den Unterlagen zwei mal das gleiche Plakat, um das es hier geht, steckt. Sie nimmt eines, faltet es auf, dann wieder zusammen und zerreißt es einige Male und wirft es in den Papierkorb. Das Urteil ist gefallen.

Drei Monate

Drei Monate Gefängnis oder 800 Mark für die Plakatzeilen: „Baumann, Stadtdirektor CDU, hat im Interesse der Gothaer Versicherung auch seine eigene Verwaltung hintergangen: Das Wohnungsamt machte bei der Gladbacher Straße 1 zur Auflage, daß an stelle des alten Wohnraums neuer errichtet werden muß. Dagegen erhob die Gothaer Widerspruch. Als dem stattgegeben wurde, ‚vergaß‘ Baumann die Akten in seinem Schreibtisch, bis die Frist, die Auflage einzuklagen, verstrichen war. Diese ‚Vergesslichkeit‘ hat der Gothaer mindestens eine halbe Millionen eingespart. Ob sie für Baumann ähnlich gewinnbringend war?“

Wie sagt doch der Herr Richter: „Es steht nicht das Verhalten der Gothaer, der Stadt oder Herrn Baumann zur Debatte, sondern das des Angeklagten.“«

 

kkk